Lebensraum Streuobstwiese

Streuobstwiesen zählen zu den artenreichsten Biotopen in Mitteleuropa und sind mit etwa 5.000 Tier- und Pflanzenarten von überragender ökologischer Bedeutung. Für viele Tiere stellen Streuobstwiesen wichtige Ersatzbiotope und letzte Rückzugsgebiete dar. Dort leben heute stark gefährdete Arten wie beispielsweise Rotkopfwürger, Wiedehopf, Steinkauz, Mittelspecht, Wendehals, Gartenschläfer, Haselmaus, mehrere Fledermausarten sowie zahlreiche Schmetterlings- und Hautflüglerarten (vgl. HINTERMEIER 2009).

Durch das Unterlassen intensiver Bewirtschaftungsmaßnahmen wie beispielsweise der Verzicht auf Pestizide, der weniger häufige Schnitt des Grases sowie das Belassen von Totholz und höhlenreicher Altbäume, bieten Streuobstwiesen einer sehr großen Zahl von Tier- und Pflanzenarten ideale Standort- und Lebensbedingungen. Vor allem besteht aber durch den stockwerkartigen Aufbau der Streuobstwiesen ein vielfältiges Mosaik an Kleinbiotopen, wodurch der Tierwelt eine Nischenvielfalt geboten wird, die weder das freie Acker- und Grünland, noch der geschlossene Wald bieten können. Die ohnehin schon hohe Strukturvielfalt der Streuobstwiesen wird oft noch zusätzlich durch verschiedene Begleitstrukturen wie beispielsweise Hecken, Gräben, Böschungen, unbefestigte Wege, Trockenmauern oder Reisighaufen erhöht (vgl. ZEHNDER et. al. 2006).

Der ökologische Wert der Streuobstwiesen ist in der Regel umso höher, je größer und geschlossener die Streuobstbestände sind, da einige Tiere zum Teil recht große Reviere haben und kleine Gebiete oftmals von ungünstigen Randeinflüssen (z. B. landwirtschaftlich genutzten Flächen) negativ beeinflusst werden. Dennoch haben auch kleinere Bestände eine nicht zu unterschätzende, wichtige Vernetzungsfunktion als Korridore und Trittsteinbiotope zwischen den einzelnen Lebensräumen.

Aus Sicht des Naturschutzes kommt überalterten Obsthochstämmen in Streuobstwiesen eine besondere Bedeutung zu. Neugepflanzte Bäume sind zwar wichtig, um abgängige Bäume rechtzeitig zu ersetzen, sie können jedoch erst ab einem bestimmten Alter (ca. 30-50 Jahre) mit ihren teils hohlen Stämmen und Ästen vielen Tieren die benötigten Brutnischen bieten. Aus ökologischer Sicht sollten aus diesem Grund alte Bäume bzw. auch abgestorbene Bäume so lange wie möglich erhalten werden.

Neben den Funktionen der Streuobstwiesen als Habitat für zahlreiche Tier- und Pflanzenarten besitzen sie zahlreiche weitere Funktionen:

  • sie bereichern das Landschaftsbild und tragen vor allem zur Blüte- und Erntezeit zu einem hohen Erlebnis- und Erholungswert bei
  • sie wirken, vor allem in Hanglagen, der Bodenerosion entgegen und verhindern somit auch die oberflächliche Verlagerung von Nährstoffen sowie deren Eintrag in Gewässer
  • sie wirken ausgleichend auf das örtliche Klima, da sie als Schattenspender sowie Regen- und Windschutz die mittlere Windgeschwindigkeit senken und Temperaturunterschiede zwischen Tag und Nacht abmildern
  • sie bilden mit ihrer hohen Sortenvielfalt ein Genreservoir mit vielseitigen Erbanlagen, die u. a. für künftige Resistenzzüchtungen im Obstbau von Bedeutung sein können. Alleine in Deutschland gibt es noch um die 1000 verschiedene Apfelsorten.
  • sie liefern Obst zur Deckung des Eigenbedarfs (zum Verzehr und für die Verarbeitung) sowie für die Verwertungsindustrie (vgl. HINTERMEIER 2009)

 

nach oben